Mentales Training im Blasrohrsport
Als Mentales Training werden psychologischen Methoden bezeichnet, die das Ziel verfolgen bestimmte Fähigkeiten oder Kompetenzen zu verbessern. Das mentale Training bedient sich dabei der Wirkweise des Trainingsprinzips. Dies bedeutet das man einen Trainingsreiz setzt der eine Anpassungsreaktion des Körpers hervorruft.
Ein mentales Training macht sich eine Eigenschaft unseres Gehirns zu nutze. Das Gehirn bemerkt nicht (bzw. nur sehr schwer) den Unterschied, ob man sich eine Sache nur vorstellen (einbilden) oder ob man die Sache tatsächlich erlebt. Für das Gehirn macht es daher wenig unterschied ob man sich einen sportlichen Bewegungsablauf nur vorstellt oder ob man ihn tatsächlich in der Praxis trainiert. Die Methode hat allerdings ihre Grenzen. Zum Beispiel erfordern körperliche Anpassungsreaktionen (wie z.B. Muskelaufbau) auch einen zusätzlichen physikalischen Reiz. Nur weil man sich das Krafttraining gut vorstellt wachsen also nicht gleich die Muskeln. 🙂 Man kann also nicht alles „mental“ Trainieren.
Am häufigsten findet man deshalb das mentale Training in der Sportpsychologie zur Optimierung von Bewegungsabläufen und der Konzentration in einer Sportdisziplin. Es stellt damit die zweite Säule neben dem körperlichen Training einer Sportart dar. Allerdings hat sich das mentale Training als Methode in nahezu allen Lebensbereichen bewährt und kommt daher heute in vielfältiger Art vor.
Mentales Training im Blasrohrsport ist eine gute Ergänzung zu dem „klassischen“ Training mit dem Blasrohr selbst. Insbesondere zum Training des Bewegungsablaufs, der Konzentrationsfähigkeit (Aufmerksamkeitsregulation) und der mentalen Stabilität (Selbstwirksamkeitserwartung) ist mentales Training sehr gut nutzbar.
Ein mentales Training kann praktisch überall und mit wenig bis gar keinen Trainingsgeräten durchgeführt werden.
Noch immer nicht überzeugt das mentales Training dir hilft?
Mache bitte folgendes Gedankenexperiment.
Stelle dir vor du hast eine saftige, große Zitrone gekauft. Du riechst an ihr und ihr leicht säuerlicher Geruch steigt dir in die Nase. Du schneidest die Zitrone in zwei Hälften und riechst noch einmal daran. Der Geruch wird intensiver. Stelle dir das alles so lebendig und glaubhaft wie nur möglich vor. Und dann stelle dir fest vor du beißt in die Zitrone.
Was ist passiert? Wenn es wirklich gut gelaufen ist und du es dir wirklich gut vorgestellt hast, dann wirst du zwei (körperliche) Reaktionen bemerkt haben.
- Du hast dein Gesicht verzogen (Sauer !)
- Dein Mund hat vermehrt Speichel produziert. (Essen)
Die reine Vorstellung einer Zitrone und der Biss hinein hat also zu einer körperlichen Reaktion geführt. Bemerkenswert oder? Und genau das ist die Wirksamkeit des mentalen Trainings.
Phasen und Ablauf eines mentalen Trainings
Die Durchführung eines mentalen Trainings erfolgt in zwei Phasen:
- Entspannungsübung zur Vorbereitung
- Das eigentlichen Mentaltraining
1. Phase: Entspannungsübung zur Vorbereitung
Es hat sich in der Praxis gezeigt das ein mentales Training besonders effektiv ist wenn man dabei selbst vorher mental entspannt ist. Ist man sehr gestresst oder abgelenkt, dann kann man sich nicht gut auf das mentale Training konzentrieren und reduziert damit dessen Wirksamkeit. Es ist wie in dem Beispiel mit der Zitrone. Wenn Sie es wegen z.B. Stress nicht geschafft haben sich die Zitrone sehr lebhaft und bildlich vorzustellen, dann ist u.U. die körperliche Reaktion beim „mentalen Biss“ in die Zitrone nicht eingetreten.
Entspannungsübung
Welche Methoden und Verfahren man zur Entspannung vorher anwendet ist im Grundsatz her egal. Man kann z.B. Yoga, Atemtechniken oder Meditation dazu verwenden.
Stress führt oft zu einer ungesunden, flachen Atmung. Wenn man nun durch bewusstes Atmen dem entgegenwirkt, dann lösen sich stressbedingte Muskelverspannungen, es steigert sich die Vitalität und es verbessert die Durchblutung Ihres Körpers.
Empfehlenswert ist eine Atemübung (tiefe Bauchatmung) und die progressive Muskelentspannung. Diese wirken schnell und effektiv und die Übungen haben keine Voraussetzungen.
Wie funktioniert nun die Entspannung durch tiefe Bauchatmung?
Bei dieser Übung legt man sich auf den Rücken oder man sitzt mit geradem Rücken auf einem Stuhl. man legt nun eine Hand auf den Bauch und die andere auf die Brust. Anschließend atmet man gleichmäßig ein und aus. Wichtig beim Einatmen (durch die Nase!) ist dabei das man zuerst die Luft in den Bauch fließen lässt und erst dann in die Brust. Bemerkbar ist dies durch das Heben der entsprechenden Hand. Es sollte sich hier zuerst die Hand auf dem Bauch heben, und dann erst die auf der Brust. Beim ausamten ist es genau umgekehrt. Zuerst sollte die Brust sich absenken dann der Bauch. Der Bauch sollte sich beim ausatmen deutlich nach innen bewegen. Achte auch darauf das beim Ausatmen auch wirklich vollständig ausgeatmet wird.
mit Hilfe dieser Atemübung wird die eingeatmete Luftmenge erhöht. Dadurch verbessert sich die Versorgung des Körpers mit Sauerstoff und die Entspannung setzt ein. Solltest du ein leichtes Schwindelgefühl empfinden, dann keine Panik. dies kann mit der erhöhten Sauerstoffzufuhr in Verbindung stehen und geht schnell vorbei.
Die progressive Muskelentspannung
Bei der progressiven Muskelentspannung (oder auch Progressive Muskelrelaxation (PMR) oder Progressive Relaxation (PR) genannt) wird der Effekt genutzt, dass die Entspannung von Muskelgruppe zu Muskelgruppe übertragen wird. Die Übung wirkt beruhigend auf das vegetative Nervensystem. Die Methode wurde vor über 100 Jahren von dem US-Arzt Edmund Jacobson (1885-1976) entwickelt. Er entdeckte, dass man entspannter wird, wenn man die Körpermuskeln gezielt anspannt und anschließend löst.
Man spannt dabei einzelne Muskelgruppen für ca. zehn Sekunden an und entspannt diese anschließend für ca. 30 Sekunden. Diesen Vorgang macht man nacheinander für unterschiedliche Muskelgruppen. Man startet dabei bei Händen und Armen. Dann folgt das Gesicht, der Nacken und die Schultern. Zum Ende hin die Bauchmuskeln und die Muskeln der Beinen und Füße.
Aber nicht nur gegen Stress hilft diese Übung, auch die eigene Körperwahrnehmung wird verbessert. Es ist nicht unüblich das Personen Probleme haben gezielt einzelne Muskelgruppen mental anzusteuern. Diese Übung verbessert diese Köperwahrnehmung. Kleiner Tipp: Wenn ihr die anzuspannende Muskelgruppe mit der Hand oder einem Gegenstand berührt, dann fällt es leichter diese gezielt anzusteuern.
2. Phase: Das Mentaltraining
Im Blasrohrsport kann man das mentale Training in insbesondere folgenden zwei Bereichen einsetzen
- Mentales Training von Bewegungsabläufen
- Training der Konzentration (Aufmerksamkeitsregulation)
Mentales Training von Bewegungsabläufen
Bei diesem Training wird der Bewegungsablauf trainiert. Ziel ist dabei den Ablauf der Bewegung beim Blasrohrsport möglichst gleichbleibend konstant ablaufen zu lassen und Fehlerquellen im Bewegungsablauf zu vermindern.
Training der Konzentration (Aufmerksamkeitsregulation)
Hierbei wird die Fähigkeit trainiert sich ganz auf den nächsten Schritt im Ablauf zu konzentrieren. Man nennt das auch „den Fokus setzen“. Nichts soll Ablenken von der eigentlichen Aufgabe. Die Aufmerksamkeit muss ganz auf das Blasrorhschiessen gerichtet sein.
Arten des Mentaltrainings
Subvokales Training
Bei dieser Art des mentalen Trainings handelt man aus der Ich-Perspektive. So wird z.B. der Bewegungsablauf als Selbstgespräch trainiert. Der Blasrohrschütze bescheibt den Vorgang wie er ihn durchführt und welche Handlungen er konkret macht.
Verdecktes Wahrnehmungstraining
Bei der Variante des verdeckten Wahrnehmungstrainings nimmt der Trainierende in seiner Vorstellung einen beobachtende Rolle ein. Er betrachtet die Bewegungsausführung als ob er einem anderen Schützen zusieht (passiven Beobachterrolle).
Welche Art ihr bevorzugt müsst ihr entscheiden. Den meisten Menschen fällt das subvokale Training einfacher. Jedoch gibt es auch Personen die mit dem verdeckten Wahrnehmungstraining gut klar kommen.
Ablauf des Mentaltrainings für den Bewegungsablauf
Das Mentalrraining besteht aus vier Stufen. Wenn man mit dem Mentaltraining gerade anfängt startet man bei Stufe eins. Hat man schon bestimmte Stufen absolviert (insbesondere die erste und zweite Stufe) kann man bei späteren Trainings gleich mit Stufe drei oder vier starten. Die Stufen werden in diesem Beispiel anhand des Trainings des Bewegungsablaufs im Blasrohrsports in Form eines Subvokales Trainings beschrieben.
Die 1. Stufe Niederschrift des Bewegungsablaufs.
Der Bewegungsablauf wird in der Form eines „Drehbuchs“ mit eigenen Begriffen beschrieben. Diese Niederschrift ist lediglich die Ausgangsform. Über die Zeit wird es immer weiter verfeinert und ergänzt.
Ich stelle greife mein Blasrohr und kontrolliere es. Anschließend prüfe ich die Darts und das sonstige Equipment. Ich bewege mich nun zur Schießline. Ich richte meine Füße/Beine aus. Hüftbreiter Stand wird eingenommen. Fußspitzen werden ausgerichtet. Oberkörper wird aufgerichtet und die Schultern ausgerichtet. Blick wird zur Zielscheibe gerichtet. Mit der rechten Hand greife ich einen Dart aus dem Köcher und führe ihn in das Blasrohr ein. Ich atme drei ruhige Atemzüge und achte dabei auf die Bauchatmung. …….
Grobes Beispiel für den Anfang des Bewegungsablauf. Das muss in der Praxis deutlich verfeinert sein.
Die 2. Stufe Auswendiglernen des Bewegungsablaufs
Idealerweise ist die in Stufe 1 erstellte Niederschrift des Bewegungsablaufes von einem Trainer oder zweiten Schützen geprüft und abgesegnet worden. Damit können Fehler und vergessene Schritte korrigiert werden. Nun lernt man diese Niederschrift flüssig auswendig. Idealerweise spricht man sich den Text selbst vor. Nur so ist gewährleistet das man auch den kompletten Ablauf kennt und verinnerlicht.
Die 3. Stufe Untergliederung
Der Bewegungsablauf wird nun in wenige Phasen (Abschnitte) zerlegt. Jedes Ende (bzw. auch der Anfang ganz zu Beginn) stellt einen Haltepunkt ( Knotenpunkt) dar.
Beispiel für die Phasen. (Aus Blogartikel). P0 bis P4 sind die Haltepunkte.
Die 4. Stufe Codierung
Die herausgearbeiteten Haltepunkte werden nun mit akustischen Codes/Wörtern belegt und eintrainiert. Ziel ist es das der Schütze später nur noch an diese Wörter/Codes denken muss (bzw. sie ausspricht) und dann der zugehörige Bewegungsablauf automatisch aus dem Gehirn abgerufen wird. Diese 4. Stufe ist die höchste form des mentalen Trainings. Nicht jeder kommt damit zurecht bzw. kann diese auch gut umsetzen. Hier gehört langes Training dazu wenn man diese 4. Stufe gut meistern will.
Nutzen des mentalen Trainings für den Blasrohrschützen
Die Vorteile des mentalen Trainings für den Blasrohrschützen liegen darin das er praktisch jederzeit und überall „trainieren“ kann. Auch im Falle einer Verletzung die ein praktisches Training unmöglich machen kann das mentale Training die „Trainingslücke“ deutlich verkürzen.
Je häufiger man einen Ablauf durchführt desto besser bleibt er im Gedächtnis. Und da das Gehirn in diesem Fall praktisch keinen Unterschied zwischen echtem und mentalem Training erkennt, zählt jede mentale Wiederholung wie eine praktische Wiederholung. Damit ist es ein leichtes auch auf z.B. Geschäftsreisen den Bewegungsablauf zu trainieren auch wenn man kein Blasrohr dabei hat.
Durch das Niederschreiben und überprüfen wird sich der Blasrohrschütze jedem Detail des Ablaufs bewusst. Er kann Fehler und Einflussfaktoren erkennen und gezielt eliminieren. Bei nicht wenigen Schützen schleicht sich über die Zeit die ein oder andere Nachlässigkeit im Ablauf ein. Durch wiederholtem Durchlaufen der Stufe 1 und Stufe 2 des Mentaltrainings erkennt man eingeschlichene Veränderungen sofort und kann diesen entgegen wirken.
Durch das mentale Training des Bewegungsablaufs wird die Konstanz mit der dieser ausgeführt wird verbessert. Dies führt insbesondere beim Scheibenschießen zu deutlich konstanteren Ergebnissen.